Eine Schlechtwetterfront zwang mich, meine Reise fortzusetzen, da durch den andauernden Regen kaum Passanten unterwegs waren und diese mit Sicherheit keinen Haarschnitt unter diesen Bedingungen haben wollten. Deshalb fuhr ich auf direktem Weg nach Warschau, in der Hoffnung, dort bessere Möglichkeiten vorzufinden. Mangels Kunden ging mein Geld langsam zur Neige, sodass ich einen Freund bitten musste, mir via WesternUnion Geld zu schicken.
Mit den 50€ konnte ich mir wieder was zu essen kaufen und volltanken, sodass ich mich wieder auf den Weg mach Deutschland machen konnte.
So führte mich mein Weg nach Łódź.
Während meiner Reise las ich einige Bücher, unter anderem die Biografie von Arthur Rubinstein, einem begnadeten Pianisten mit Schwerpunkt auf Chopin.
Denkmal für Artur Rubinstein
Seine Lebensgeschichte begann in Łódź, weshalb ich dort unbedingt hin wollte.
Ich erreichte Łódź bei bestem Regenwetter. Der Vorteil davon ist, dass man die ganze Stadt für sich hat.
Łódź hat eine der längsten Einkaufsstraßen Europas, mit einer Länge von 4900 Metern
Ulica Piotrkowska Die ganze Straße ist übersät mit bronzenen Plaketten mit den Namen von Hochschulabsolventen, Stiftern, aber auch mit den Namen von im zweiten Weltkrieg getöteten Juden. Nächster Halt: Görlitz
Das nächste Ziel lag schon sehr lange auf meiner Liste der Orte, die ich unbedingt mal besuchen wollte. Die Wolfsschanze.
Nicht, weil ich ein „Fan“ dieses Ortes oder gar dieser Ideologie bin, sondern eher der Faszination wegen, welch großes Unheil an diesem Ort entschieden wurde und das mit einem Schlag alles hätte aufgehört haben können; was ja bekanntermaßen leider misslang.
Hier fand das Stauffenberg-Attentat auf Hitler statt
Die Bunkeranlage ist unglaublich massiv und eindrucksvoll und trotz allem hat die Natur sich fast alles wieder einverleibt.
Noch vor Ende des zweiten Weltkrieges wurden die Bunker von den Nazis mit Tonnen von Sprengstoff zerstört, denn man wollte nicht, dass sie der Roten Armee in die Hände fallen.
Der LageplanHitlers „Führerbunker“
Doch genug von diesem schrecklichen Ort.
Lötzen selbst ist ein kleiner, sehr idyllischer Ort, der trotz seiner Vergangenheit, heute sehr zum verweilen einlädt.
Nachdem ich mich von Warschau losreißen konnte, ging es in die Masuren, einem Gebiet mit vielen vielen Seen und Abermilliarden Stechmücken im Nordosten Polens.
Hier, aus Prostki, stammte mein Großvater, bis er bei der großen Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg gezwungen war, zu fliehen. Andernfalls wäre er von den Russen getötet worden.
Das Dorf sieht aus, als ob jeglicher Fortschritt an ihm vorbei gegangen wäre. Straßen, bestehend aus Kopfsteinpflaster, die Häuser optisch sehr vernachlässigt.
Das Besondere von Prostken, wie der Ort im Deutschen heißt, war seine Nähe zu Litauen, denn hier verlief die preußische und litauische Grenze. Heute erinnern nur noch alte Grenzsteine und ein Denkmal daran. Links der Gemarkung war Preußen, rechts davon war Litauen. Auch das alte Grenzhaus steht heute noch, welches die Grenze von Preußen und Polen markierte.
Man muss bedenken, Litauen war zu dieser Zeit und davor einer der größten Staaten Europas und erstreckte sich bis weit ins heutige Polen und ans Schwarze Meer.
In der Nähe von Prostken steht eine Kirche, die komplett aus Holz und ohne Nägel gebaut wurde. Ein bisschen erinnert sie mich an einen Gemeindesaal aus der Vikingerzeit. Urgemütlich!
Dort angekommen, meldete ich mich bei Pawel und Elwira, die mich auf dem Open’er Festival in Gdynia eingeladen hatten, zu Ihnen zu kommen, wenn ich Warschau bin.
Wir hatten eine sehr tolle Zeit miteinander. Unter anderem gingen wir ein paar mal in eine Jazzbar mit Jamsessions. Es war atemberaubend! Leider kommt die Stimmung auf dem Video nicht so gut rüber.
Sie zeigten mir auch einen guten Platz, wo ich mich hinstellen und auf potentielle Kunden warten konnte, der Weichselpromenade, gegenüber des Narodowy-Stadions.
Es dauerte auch nicht lang und ein Mitarbeiter des nahegelegenen Hotdogstandes stellte sich zur Verfügung. Von da an ging es Schlag auf Schlag.
Warschau ist eine atemberaubende Stadt. Überall gibt es etwas zu entdecken. Die Menschen sind außergewöhnlich gastfreundlich und nett, was übrigens auf ganz Polen zutrifft. Nirgendwo sonst in Europa würde ich so nett empfangen, aber besonders in Warschau. Auch ist die Atmosphäre eine ganz besondere. Das Leben wird leicht genommen, was passiert, passiert. Außer in politischen Dingen, hier lassen sich, insbesondere die jungen Warschauer nichts vom Pferd erzählen. So war ich auch bei der Demonstration dabei, als das Parlament über die umstrittenen Gesetze zur Ernennung der Richter abgestimmt hat.
Selbst hier ging es sehr friedlich zu. Natürlich wurde Krawall gemacht, aber nicht gegen andere Menschen oder Polizisten.
Warschaus Altstadt darf nicht unerwähnt bleiben, denn sie eint das gleiche Schicksal wie die von Elblag. Die Altstadt ist jünger als die Neustadt, da sie ebenfalls im zweiten Weltkrieg nahezu vollständig zerstört wurde. Vom Palast zB. war gar nichts mehr übrig. Heute erstrahlt er in neuem Glanz.
Viel habe ich von Warschau allerdings nicht besichtigen können. Dies werde ich bei meiner Rückkehr im September aber nachholen, obwohl ich sage und schreibe drei Wochen in Warschau verbracht hatte. Deutlich länger als geplant, denn ursprünglich wollte ich gar nicht nach Warschau und als ich mich entschloss, dorthin zu fahren, dann nur für ein paar Tage. So sehr hat es mir die Stadt angetan!
Warschau ist definitiv zu eine meiner Lieblingsstädte in Europa geworden!
Weiter geht’s Richtung Warschau, durch Elblag. Hier kann man eine wunderschöne Altstadt besichtigen. Das kuriose ist, die Altstadt ist jünger als die Neustadt. In den 60er Jahren wurde die Altstadt, die durch den zweiten Weltkrieg zerstört wurde, originalitätsgetreu wieder aufgebaut. Die bis zu diesem Zeitpunkt schon gebaute Neustadt ist deshalb älter als die Altstadt, was man am Zustand der Neustadt auch sehr deutlich sieht.
Des Weiteren gibt es eine Kirche die ohne weiteres in Mordor hätte stehen können.
Die Kathedrale ist ein regelrechtes Biest, die man sich unbedingt anschauen sollte, wenn man schon mal hier ist.
Auf dem Weg nach Warschau kam ich in Sopot vorbei, einem Erholungsort direkt an der Ostseeküste.
Attraktionen gibt es hier in Hülle und Fülle, zB. das „Krzywy Dom“, einem Haus mit einer unkonventionellen Archiktektur einer Bahntrasse, die direkt durch das Stadtzentrum führt und natürlich einen wunderschönen Strand.Das Wetter war leider nicht das allerbeste..
Besucher sind hauptsächlich Russen aus dem nahegelegenen Kaliningrad und Warschauer, die hier Ihren Urlaub verbringen.
Des weiteren kann man hier auch einige Autos des nicht mehr existierenden polnischen Herstellers FSO bewundern.
Da ich nun einige Kilometer zurück legen wollte ging es in einem Rutsch nach Gdingen, auf polnisch Gdynia.
Ich hatte mal irgendwo gelesen, dass dort im Juni das Open’er Festival stattfindet und zufälligerweise war es genau dann, als ich dort eintraf. Für das Festival selbst hatte ich leider nicht genügend Geld, aber die Party auf dem Festival war Ausgleich genug. Dort besserte ich auch gleich meine Reisekasse auf.
Auf dem Campingplatz lernte ich einige Leute kennen, die mir sagten, ich müsse unbedingt nach Warschau kommen.
Eigentlich liegt Warschau nicht auf meinem Weg, aber wenn so viele sagen, ich muss dorthin, dann bin ich überzeugt..